Tiefziehen

Für ein Modell einer irischen Fähre brauchte ich zwei Schraubentunnel für Propeller von 20mm Durchmesser. Da der Rumpf bis zu diesem Bauabschnitt komplett aus Polystyrol entstand, wollte ich auch hier gerne wieder dieses Material einsetzen. Nur wie in die Form kriegen? Spanten?
Nein, Tiefziehen war die Lösung! Hier betrat ich dann allerdings Neuland für mich und bis zum fertigen Schraubentunnel waren einige Versuche nötig. Um euch diese zu ersparen jetzt ein kurzer Bericht, wie das Ganze dann geklappt hat.

Zuersteinmal brauchte ich ein Urmodell, im Tiefzieh-Jargon auch Stempel genannt. Da dieses bei mir lediglich wenige Male halten musste, wählte ich Balsaholz als Grundlage. Dieses wird zuerst mit Säge oder Skalpell grob zugeschnitten und danach mit Schmirgelpapier relativ grober Körnung nach und nach in Form gebracht. Dabei können Schablonen aus dickem Bastelkarton oder Polystyrol helfen, die richtige Form zu erreichen. Hat man so die Form herausgearbeitet, kann der Feinschliff beginnen. Zum Abschluss empfiehlt es sich, das Urmodell zu lackieren, um so feine Unebenheiten besser zu erkennen. Eventuell muss danach noch gespachtelt werden.
An dieser Stelle noch ein Hinweis zum Schleifen von Balsaholz: Der Schleifstaub dieses Holzes ist nicht besonders angenehm und mit Sicherheit auch nicht gesund. Ich habe die meiste Zeit eine einfache Staubschutzmaske getragen, da diese Schleifarbeit schon mehrere Stunden in Anspruch genommen hat.

Nun beginnen die Vorarbeiten zur fertigen Tiefziehform. Angefangen habe ich dabei mit der so genannten Matrize. An dieser wird später das Rohmaterial (in meinem Fall 1mm Polystyrol) befestigt und über das Urmodell gezogen. Dazu erhält ein 3mm dickes Sperrholz (je nach Größe des Tiefziehobjektes anzupassen) einen Ausschnitt, der genau um die Materialstärke des Rohmaterials größer ist als der Stempel.
Nun wird der Stempel auf ein Brett geklebt und an diesem in jeder Ecke ein Loch gebohrt, in das die Führungen, die später das genaue Treffen des Stempels erleichtern, eingeklebt werden. Dazu muss natürlich auch die Matrize an diesen Stellen Löcher erhalten. Das Bohren sollte unbedingt zusammen erfolgen, da schlechte Passgenauigkeit von Stempel und Matrize ein gutes Ergebnis unmöglich macht! Als Führung dienten mir einfache Schaschlikspieße.


Vorschau

Bis zu dieser Stelle war mir eigentlich immer klar, wie ich weiter vorgehen musste. Doch ab diesem Zeitpunkt wurde das ganze Unternehmen ein großes Experiment, ich gehe einfach mal chronologisch durch die "Versuchsreihe":

Ab in den Keller, ein Stück 1mm Polystyrol mit Doppelklebeband an die Matrize geklebt, meinem Vater den Heißluftfön in die Hand gedrückt und selbst die Matrize gehalten. Erwärmt, bis die Folie etwas durchhängt, über den Stempel gezogen und... was war das?


Vorschau

Nagut, da war wohl was nicht heiß genug... oder? Ich machte mir ein paar Gedanken dazu, dass das Material nur an der höchsten Stelle gerissen war und entschied, die Matrize an dieser Stelle mit einem großzügigeren Ausschnitt zu versehen, da ich eh maximal nur den obersten cm des Teils wirklich brauchte. Ich versprach mir davon weniger Spannung im Polystyrol.
Gesagt, getan, wieder erwärmt, gleichmäßig nicht zu schnell über den Stempel gezogen... wieder ein ähnliches Ergebnis.

Also doch nicht mit der Heißluftpistole sondern den Ofen in Beschlag nehmen? Nagut, ich hatte es mir wohl zu einfach gemacht und bin dabei drauf reingefallen, dass ein Heißluftfön relativ punktuell erhitzt.
Backofen auf volle Pulle (bei 250° hört die Scala auf), als Unterlage für die Matrize, damit das PS gut durchhängen kann, eine Auflaufform und dann rein damit und warten. Erstmal tat sich garnichts und ich befürchtete schon, der Ofen sei nicht heiß genug. Doch dann verwand sich das Polystyrol in seltsamen Formen und ich wusste sofort: Der Ofen ist stärker als das Doppelklebeband. Also ein drittes Stück abenteuerlich geformtes Polystyrol für den Müll.

Versuch Nummer 4:
Polystyrol mit dem Holztacker an die Matrize getackert, in den Ofen damit, warten bis es so richtig stark durchhängt, mit Handschuhen aus dem Ofen, in die Führungsstäbe einfädeln und gleichmäßig zügig runterdrücken... Na wer sagt's denn, es geht doch!!


Vorschau Vorschau

Auf diese Weise habe ich dann ohne Probleme direkt den zweiten Schraubentunnel tiefgezogen. Für alle, die zwischen den Fehlschlägen den richtigen Weg verloren haben, im Folgenden kurz zusammengefasst:


  1. Polystyrol temperaturbeständig an der Matrize befestigen
  2. im Backofen bei möglichst hoher Temperatur (200-300°) erwärmen, bis es durchhängt
  3. in einem Zug und nicht zu langsam über den Stempel ziehen

Eingebaut im Rohbau:
Vorschau

von David Vahl


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